Ein EVA-Seminar aus Sicht einer Teilnehmerin
Ende Juli 2024 nutzten 20 aktive und ehemalige Eisenbahner:innen ihren Bildungsurlaub, um ihren Wissenshorizont zum spannenden Thema „Widerstand gegen den Nationalsozialismus 1933-1945“ zu erweitern.
Dafür ging es nach einer kurzen Einführung zum Thema zunächst in die Gedenkstätte Deutscher Widerstand nach Berlin, wo wir im Rahmen einer Gruppenführung durch die Dauerausstellung und anschließendem Workshop herausfanden, wie vielfältig und zum Teil auch weiblich die verschiedenen Widerstandsgruppen waren, die oftmals schon seit Beginn der NS-Diktatur im Untergrund gegen dieselbe kämpften:
Es gab Widerstand in der Arbeiter:innenbewegung, aus religiösem Glauben, in jugendlichen, intellektuellen oder Künstler:innen-Kreisen, aber auch von Jüd:innen, Sinti und Roma und – nicht zu vergessen – von Sozialdemokrat:innen, Sozialist:innen, Kommunist:innen und Gewerkschafter:innen.
Die Widerstandsbewegungen waren nicht sehr groß, standen zum Teil aber auch untereinander in Kontakt, wie zum Beispiel im „Kreisauer Kreis“ oder der „Roten Kapelle“. Der Übergang von passivem Widerstand zu aktivem Widerstand war oft eine logische Folge, wenn man eine humanistische und freiheitsliebende Weltsicht in sich trug und sich bewusst dafür entschieden hatte.
Das ging auch sehr gut aus der anschließend von uns besuchten Ausstellung „Stille Helden“ hervor. Darin wurde eine weitere Form des Widerstandes thematisiert, die an vielen Orten in Europa im Verborgenen geleistet wurde: Die praktische Hilfe für verfolgte Personen, die diesen einerseits das Leben retten, gleichzeitig aber auch alle Beteiligten das Leben kosten konnte. Dennoch handelten immer wieder mutige Menschen nach der Maxime, die der Niederländer Frederik Kabbes wie folgt beschrieb: „Es ist so, als würdest du jemanden ertrinken sehen. Entweder du stehst daneben und tust nichts, oder du springst hinein und hilfst. … Es musste einfach getan werden.“
Unsere ersten Eindrücke konnten wir am nächsten Tag in Oranienburg vertiefen, wo wir die Gedenkstätte des ehemaligen KZ Sachsenhausen besuchten. Begleitet von einem Filmteam des „arte journal“ beschäftigten wir uns im Rahmen einer Führung durch die KZ-Gedenkstätte und im anschließenden Workshop mit dem Widerstand im Lageralltag. Dabei widmeten wir uns vor allem der Fragestellung, inwieweit er dort überhaupt möglich war und welche Gruppen dort agierten. Wir beschäftigten uns mit verschiedenen Beispielen und Biografien, die uns sehr klar vor Augen führten, dass entsprechende Aktivitäten immer unter der akuten Bedrohung des eigenen Lebens standen.
Unser Seminarleiter Eberhard Podzuweit nutzte die Möglichkeit außerdem, uns mit dem im KZ Sachsenhausen inhaftierten und am 15. Februar 1945 dort ermordeten Eisenbahn-Gewerkschafter Lorenz Breunig bekannt zu machen, dem an der Erinnerungsmauer eine Gedenktafel gewidmet ist.
Am Abend besuchten wir in einer kleinen Gruppe auch noch die Reste eines der ersten „wilden Konzentrationslager“, das 1933/34 in einer ehemaligen Brauerei in Oranienburg untergebracht war. Heute erinnern nur noch Gedenksteine und eine Informationstafel an den Ort, auf dem sich nun eine Supermarktfiliale befindet.
Am vierten Tag zog es unsere Seminargruppe nach Berlin-Schöneweide, um das leider kaum bekannte Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit zu besuchen. Abermals erwartete uns eine sehr informative Führung, unter anderem in die erhalten gebliebene einstige „Wohnbaracke“ 13. Diese verfügte sogar über einen Luftschutzraum im Keller. Das war für ein Zwangsarbeiterlager eher unüblich, da Luftschutz vor Bombenangriffen eigentlich nur den „Volksdeutschen“ vorbehalten war. Besonders beeindruckend war, wie hier inmitten eines Wohngebietes besonders anschaulich die Behauptung widerlegt wird, „man habe ja von nichts gewusst.“ Die Zwangsarbeiter:innen waren überall präsent, ob in der Kriegsversorgungs- und Rüstungsindustrie, in der Landwirtschaft, in privaten Haushalten oder im Handwerk.
Wurden die Arbeitskräfte anfangs noch in ganz Europa offiziell angeworben, wurden diese bald durch Menschen ersetzt, die zur Arbeit zwangsverpflichtet oder aus den besetzten Gebieten, vor allem aus Osteuropa, verschleppt und ausgebeutet wurden – insgesamt ca. 13 Millionen Menschen, darunter ein Drittel Frauen und rund 1,5 Millionen Kinder. Meist waren sie in Sammelunterkünften oder Lagern untergebracht, von denen es insgesamt ca. 30.000 Stück in Deutschland gab, einige von Ihnen auch mit direktem Bahnbezug. Die Lebensbedingungen waren hier unterschiedlich schlecht.
Interessant und völlig unbekannt war für uns bis dato, was der Fußball mit NS-Zwangsarbeit zu tun hat. Dazu konnten wir einiges im Rahmen eines Workshops in der Sonderausstellung „Ganz Europa kickte in Berlin“ erfahren.
Mein Fazit zum Seminar:
Es gab sehr viel neues Wissen abseits bekannter TV-Dokus und zu wenig Zeit für die angeschnittenen, jeweils umfangreichen Themen: Jeder Tag für sich könnte ein eigenes Seminar füllen ... Und der ein oder andere hätte sich vielleicht auch ein bisschen mehr freie Zeit zur selbständigen Erkundung von Berlin oder Oranienburg gewünscht.
Wichtig war aus meiner Sicht die tägliche Feedbackrunde in der Gruppe und das Übertragen der Erfahrungen und Rückschlüsse in unsere heutige Zeit und wie sie unser persönliches Leben und unser (ehrenamtliches) Engagement beeinflussen können.
Aktuell stehen zum Beispiel einige Landtagswahlen im September 2024 an, wo sich zeigen wird, ob wir als Gesellschaft aus der Geschichte gelernt haben und demokratische Parteien die Oberhand behalten werden.
Links zu den Orten:
https://www.sachsenhausen-sbg.de/
https://www.arte.tv/de/videos/121580-000-A/holocaust-gedenkstaetten-fordern-mehr-unterstuetzung/
https://www.ns-zwangsarbeit.de/home/